Unterschiedlich verbindend: Eine Ausstellung in Suhl blickt auf Architektonisches in Ost und West.

Was genau die deutsche Architektur in Ost und West aus und spannend macht, und was wir bei einem Blick zurück alles für unseren Blick nach vorn lernen können, das zeigt seit Anfang Mai 2023 die Ausstellung „Zwei deutsche Architekturen 1949 - 1989“ in Suhl. In unserem aktuellen Blog-Beitrag nehmen wir Sie mit in das Neue Rathaus der Stadt auf einen ersten Rundgang durch die Ausstellung, der mit Sicherheit Lust auf mehr macht.

Wuchtig? Zweckdienlich? Schnörkellos? Betonreich? – Ja vielleicht, aber eben nicht nur: Deutsche Architektur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Wiedervereinigung ist facettenreich, unterschiedlich und doch ähnlich zugleich. In einer umfassenden Schau bestehend aus Architektur-Fotografien, architektonischen und stadtplanerischen Modellen erhalten Interessierte einen Einblick in diese Zeit der Architekturgeschichte, Bauten und Planungen von mehr als 400 Architekt:innen werden vorgestellt, von Alvar Aalto bis Manfred Zumpe.  

Vom ifa Institut für Auslandsbeziehungen als internationale Tourneeausstellung konzipiert, machte die Ausstellung seit 2004 bereits weltweit an 29 Orten Station, etwa in Athen, Brüssel, Buenos Aires, Canberra, Delft, Istanbul, Kopenhagen, Madrid, Porto, Shanghai und Vilnius. Mit Suhl als 30. Ausstellungsort feiert sie seit Anfang Mai 2023 so etwas wie ein kleines Jubiläum. Im Plenarsaal des Neuen Rathauses gewährt sie bis zum Jahresende interessante und zum Nachdenken anregende Blicke auf die Architektur in Ost und West. Dabei bemüht sie keine ideologische oder politische Brille, lässt gerade so Unterschiede und viel Verbindendes erkennen. Zudem gibt es ein umfassendes Begleitprogramm mit Vorträgen, Symposien, öffentlichen und thematischen Führungen durch Ausstellung und Stadt

Landesentwicklung ist mehr als der Blick nach vorn

Und was haben wir von der Stadt- und Regionalentwicklung der LEG Thüringen mit solch einer Ausstellung zu tun? Zugegeben, das ist beim ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich. Auf den zweiten jedoch schon: Nachdem die Ausstellung 2017 in Berlin ihre offizielle Finissage feierte, sollte sie trotz ihres Erfolgs und ihres inspirativen Charakters vernichtet werden. Die Kurator:innen suchten händeringend nach einer neuen Nutzung. Als Landesentwicklungsgesellschaft des Freistaates Thüringen obliegt es uns seit der deutschen Wiedervereinigung die Stadtentwicklung und das Bauen im öffentlichen und privaten Raum zu konzipieren, mitzugestalten und letztlich zum Wohl des Landes sowie seiner Menschen voranzubringen. Hierfür wichtig ist neben dem gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Rahmen insbesondere ein wertschätzender und respektvoller Umgang mit der Lebensleistung vorheriger Generationen. „Wir haben mit Beginn unserer Tätigkeit buchstäblich aufgebaut auf dem Erbe, das uns Stadtplaner:innen und Architekt:innen hinterlassen haben. Wir haben mitgeholfen, dieses Erbe weiterzuentwickeln“, so LEG-Geschäftsführerin Sabine Wosche anlässlich der Ausstellungseröffnung. „Vielerorts haben wir das konstruktiv getan und es gibt heute im ganzen Freistaat eine Reihe von Standorten, wo wir Altes bewahrt haben und es mit Zeitgemäßem verbunden haben zu etwas Neuem. Wir haben Altes baulich weiterentwickelt und es in neue Raumkonzepte integriert.“ Deutlich sichtbar wird das bei einem Rundgang durch den Stadtteil Erfurt-Brühl – eines der größten innerstädtischen Konversionsprojekte des wiedervereinten Deutschlands, die Entwicklung der Innenstadt von Schleusingen oder die Wandlung des Industriestandortes Rudolstadt-Schwarza.

„Manchmal haben aber auch wir, gerade in frühen Jahren nach der Wende, wie so viele andere, dieses Erbe an der einen oder anderen Stelle zu gering geschätzt,“ so Sabine Wosche weiter. Gerade im Osten habe es nach der Wiedervereinigung eine regelrechte Abkehr von der Baukultur der DDR gegeben, was sich in einer Reihe von Abrissen manifestierte, die viele heute gern rückgängig machen würden. Beides, konstruktive, integrative Weiterführung und Geringschätzung des Erbes, gehört zur Geschichte der vergangenen drei Jahrzehnte – im Osten mehr als im Westen, aber letztlich mit Konsequenzen für ganz Deutschland. Gerade deshalb bietet die aktuelle Ausstellung in Suhl Anknüpfungspunkte, um einen neuen Blick zurück zu wagen und manches mit Bedauern wiederzuentdecken, was dem Abriss zum Opfer fiel; eine beträchtliche Zahl der in der Ausstellung gezeigten Referenzbauten für verschiedenste Bauaufgaben steht leider nicht mehr. „Wir sollten dies bewusst nutzen, um in unserer heutigen Zeit, mit ihren ganz anderen Herausforderungen als vor 20, 40 oder 60 Jahren, einen konstruktiven, sensiblen, verantwortungsbewussten Blick auf das Bauen von heute zu gewinnen, um zukunftsfähige Lösungen für die Herausforderungen von heute zu finden, die das reiche Erbe, auf dem wir aufbauen, verbinden mit dem Neuen, das wir für unsere Zeit hinzufügen müssen,“ appelliert Sabine Wosche an die Besucher:innen der Ausstellung, die noch bis zum Jahresende geöffnet sein wird.

Öffnungszeiten:

08.05. bis 18.06.2023

Montag: 11-17 Uhr
Dienstag: 13-19 Uhr
Mittwoch: 11-17 Uhr
Donnerstag: 13-19 Uhr
Freitag: 11-15 Uhr
Samstags: 13-17 Uhr

Ab 19.06.2023 ist die Ausstellung zu den Öffnungszeiten des Neuen Rathauses zugänglich.

Download:

Bildinformationen:

Bild 1:
Stadthalle und Hotel »Kongress«
Karl-Marx-Stadt, 1969-1974
Architekten: Rudolf Weißer / Wladimir Rubinow
Freiflächenplanung: Karl Wienke 
Bildnachweis: Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner, Fotograf unbekannt

Bild 2:
Kino »Kosmos«
Berlin-Friedrichshain, 1961-1962
Architekten: Josef Kaiser / Günter Kunert
Bildnachweis: Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner, Fotograf unbekannt

Bild 3:
Olivetti Verwaltung Deutschland
Frankfurt am Main, 1969-1972
Architekt: Egon Eiermann
Bildnachweis: saai, Karlsruhe Foto: Horstheinz Neuendorff, Baden-Baden

Bild 4 und 5:
Ausstellung: Zwei deutsche Architekturen. 1949 bis 1989.

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